Nelson Goodman. Kunst als epistemologische Praxis – Musik als Modus von Exemplifikation

von Christopher Dell

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Im MICC Working-Paper Nr. 9 wird gesagt: „Wenn wir eine Partitur malen, so nehmen wir an, verweist diese Partitur auf etwas anderes als sich selbst, nämlich auf die Organisation oder darauf, wie wir uns vorstellen, dass eine Organisation klingt, wenn sie von Musikern gespielt würde.“1 Wie aber funktioniert diese Bezugnahme und was bewirkt sie?

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Um dies zu erhellen möchten wir, sozusagen als weitere Ebene unseres Versuchs, das musikalische Denken als epistemologische Praxis der Organisationstheorie einzuführen, die Konzeption Nelson Goodmans einbringen. Nach Goodman ist das übergeordnete Ziel sowohl sprachlicher als auch nichtsprachlicher Praktiken „der Drang nach Wissen. Was uns Freude bereitet ist die Entdeckung.“ Auf der Basis dieser Argumentationslinie unternimmt Goodman den Versuch einer Aufwertung der Künste. Diese stehen nicht mehr nur als Solitäre der l’art pour l’art für sich, sondern können, vor dem Hintergrund einer „lernenden Erfahrung“ in die Erkenntnistheorie Eingang finden. Goodman fordert damit, dass „Künste als Modi der Entdeckung, Erschaffung und Erweiterung des Wissen *…+ ebenso ernst genommen werden müssen, wie Wissenschaften.“

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Sein Hauptargument liegt in der Frage nach der Produktion von Wissen überhaupt. Nach Ansicht Goodmans ist Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht einfach gegeben, sondern mit einem Akt der Herstellung von Welt verknüpft. Jede Wahrnehmung ist zugleich Interpretation von spezifischen Erfahrungen, und ist durch subjektive Vektoren wie Neigungen und Interessen beeinflusst: ,,[...] Rezeption und Interpretation lassen sich als Vorgänge nicht trennen; sie sind vollständig voneinander abhängig.“ Dinge können auf viele unterschiedliche Weisen wahrgenommen werden. Bezogen auf die Produktivität von Kunst heißt dies, dass sie erst gar nicht versucht objektive Wahrnehmung hervorzurufen, noch wählt sie unter allen vorstellbaren Interpretationen beliebig aus. Goodman betont vielmehr den Produktionsaspekt dieses Vorgangs: ,,Wenn wir einen Gegenstand repräsentieren, dann kopieren wir nicht solch ein Konstrukt oder eine Interpretation – wir stellen  sie her.“ Nach Goodman sind Kunstwerke ebenso real, wie die Dinge, auf die sie Bezug nehmen, da das, was wir allgemein als ‚wirkliches Ding’ bezeichnen einem relationalen Wechselspiel von Wahrnehmung und Deutung unterliegt.

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