Vom Organisationsmuster zur organisationalen Mustersprache – Was sind Muster in sozialen Systemen?

von Gisela Humpert & Wolfgang Stark

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Was sind Muster?

Muster (engl. patterns) sind die Beschreibung typischer Problemlösungen, die sich für Herausforderungen des Alltags in Organisationen als erfolgreich (viabel) erwiesen haben. Sie beschreiben implizites (manchmal auch verdecktes) Wissen über das Funktionieren eines sozialen Systems. Muster basieren auf der Erfahrung vieler und der Entwicklung eines „practical body of “knowledge“, dem Wissen, wie bestimmte Problemstellungen erfolgreich bearbeitet werden können.

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Muster entwickeln günstige Rahmenbedingungen für den Umgang mit Herausforderungen, stellen aber nicht die bloße Umsetzung einer Betriebsanleitung dar. Als Kommunikationsformat bilden sie einen kooperativen Lernprozess ab und transportieren neben konkreten Handlungsvorschlägen auch die dahinter liegenden Werte. Hintergrund und Ursprung in sozialen Systemen (Organisationen, Gemeinschaften, Netzwerken) beschreiben Muster eine Umwelt, in der Beziehungs-Ereignisse stattfinden können. Der Mensch wird immer in Beziehung zu seiner Umwelt und zu anderen Menschen gesehen. Die Anforderungen an das Beziehungsystem Mensch-Umwelt-Mensch werden aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen betrachtet (wie etwa Soziologie, Psychologie, Ökonomie und Ökologie).

Der Begriff Mustersprache wurde ursprünglich als Beschreibung von archetypischen Lösungen für Aufgaben in der räumlichen Planung vom Architekten Christopher Alexander geprägt. In seinem an Laien gerichteten Buch A Pattern Language: Towns, Buildings, Construction stellte er 1977 die ersten Muster und „eine Mustersprache“ vor. Später wurde das Konzept in andere Disziplinen übernommen, besonders in die objektorientierte Softwareentwicklung und die Mensch-Computer-Interaktion (Human-Computer Interaction). Die Anwendung geschieht heute in Bereichen wie Stadt- und Raumplanung, Software-Design, Sound Design oder Organisational Design, aber auch in pädagogischen Feldern. Hinter dem Konzept der Muster und der Mustersprache steht die Überzeugung, dass Menschen aufgrund Ihrer Erfahrung grundsätzlich in der Lage sind, Muster analog zu ihrer natürlichen Fähigkeit zum Sprechen zu nutzen. Jede Handlung geschieht auf der Grundlage von Erfahrungswissen und Spielregeln, die wir uns zu eigen gemacht haben. Dieses Wissen wird oft nicht explizit gemacht, aber intuitiv angewandt und kontinuierlich ergänzt – ist daher immer in Bewegung.

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Bedeutung von Mustern in Organisationen

Vorgehensweisen in Organisationen oder anderen sozialen Systemen lassen sich mittels Mustern beschreiben. Mit Hilfe von patterns wird das „geheime Wissen“ einer Organisation erfasst: die Art und Weise, wie Probleme oder Herausforderungen in einer bestimmten Situation am besten gelöst werden. Muster sind dabei mehr als gute Ideen; sie sind Ergebnisse eines gemeinschaftlichen Prozesses, in dem beobachtete Lösungsstrategien, die sich durch theoretisches Wissen, eingeübte Vorgehensweisen und Kompetenzen der Handelnden sowie erfolgreiche Anwendung herausgebildet haben, verdichtet werden. Im Zuge der Arbeit mit Mustern entsteht eine Reflexion über „organisationsübliche“ Vorgehensweisen, die Wertschätzung von persönlichem Erfahrungswissen, Zielbestimmung und Weiterentwicklung, eine Kommunikation über alle Ebenen – die Chance unternehmens- und organisationsspezifische Rahmenbedingungen für Innovation zu erschließen und in den Kontext von geteiltem Wissen zu stellen.

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Aufbau und Verbindung von Mustern

Die Beschreibung von Mustern kann in unterschiedlicher Form geschehen; in der Regel folgen sie jedoch folgendem Aufbau: (1) Name des Musters, (2) Kontext als Geschichte, (3) Herausforderungen der Alltagsanwendung, (4) die Lösung und ihre Logik, und (5) Konsequenzen aus der Lösung, die Beziehungen zu anderen Mustern einschließt. Muster beschreiben einzelne Elemente einer (oft komplexeren) Lösung. Deshalb sind die Beziehungen einzelner Muster untereinander entscheidend; sie verbinden sich zu einer Mustersprache der Organisation (ähnlich wie die Gestaltungssprache im Design). Die Nutzung und die Verbindung der Muster untereinander werden entscheidend von ihren Anwendern und dem gesamten Kontext ihrer Anwendung geprägt. Prozess des Entdeckens Muster werden gefunden (pattern mining), nicht erfunden. Der Prozess entwickelt sich entlang von Fragen und Arbeitshypothesen und steht in enger Verbindung mit Methoden der qualitativen Sozialforschung. Auf dem Hintergrund der übergeordneten Fragestellung (Welche Art von Muster suche ich? – Innovationmuster? Muster des Lernens? Kommunikationsmuster?) können Selbstbeobachtung und Analyse der eigenen Arbeiten weiterführen. Die Beobachtung des Umfeldes der Organisationen und dessen Verhaltensweisen, Interviews mit Experten über ihre eigenen Erfahrungen, Beobachtung und Analyse von Projektergebnissen sind Pfade auf dem Weg der Entdeckung.

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Verbindung zu:

- Musterwerkstatt (writer’s workshops)
- Mustersprache (pattern language)
- Musical patterns

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Anwendungen und Beispiele

Hillside Europe (hillside.net/europlop/HillsideEurope) ist ein Netzwerk von Software-Wissenschaftlern und veranstaltet und unterstützt Konferenzen und Workshops zum Netzwerken zwischen Anwendern von Mustern. Hier werden Muster in einem Diskussions- und Feedbackprozess verdichtet (writers workshops). Eine Mustersprache (engl. pattern language) ist eine Sammlung von Entwurfsmustern, also bewährten Verfahren zur Lösung typischer Probleme, die bei konstruierenden Tätigkeiten in einem bestimmten Anwendungsgebiet auftreten.

Dabei werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt:

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> Es wird eine einheitliche Sprache aus Namen für Probleme und deren Lösungen definiert, um die Kommunikation zwischen Entwicklern zu erleichtern

> Unerfahrenen Entwicklern werden Problemlösungen für typische, immer wiederkehrende Entwurfsprobleme geboten. Sie können somit von Erfahrungen anderer profitieren

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Sound Studies UDK Berlin, Funktionale Klänge (www.udk-berlin.de): Der europaweit einzigartige Masterstudiengang Sound Studies widmet sich seit 2006 der berufsqualifizierenden Ausbildung zum Arbeiten mit Klang in künstlerischen, gestalterischen wie konzeptuell-entwickelnden Berufsfeldern. Funktionale Klänge übertragen mit Klangmustern Informationen, beschreiben Zustände und Objekte, sie erzählen kleine Geschichten. Sie helfen Abläufe und Vorgänge zu erkunden und zu verstehen.

Die Klänge verändern die nächste Umgebung und dienen als Werkzeug.

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Literatur

Alexander, Christopher (1977). A Pattern Language. New York: Oxford University Press.

Alexander, Christopher (1979). The Timeless Way of Building. New York: Oxford University Press.

Alexander, Christopher; Ishikawa, Sara; Silverstein, Murray; Jacobson, Max; Fiksfahl-King, Ingrid;
Angel. Shlomo (1995). Eine Muster-Sprache. Städte, Gebäude, Konstruktion. Wien: Löcker.

Manns, Mary Lynn; Rising, Linda (2005). Fearless Change – Patterns für Introducing New Ideas. Boston.