Dokumentation “Pattern Language and beyond” MICC-Workshop 9.12.2010

The Pattern of Patterns – auf der Suche nach dem übergeordneten Prinzip

MICC-Workshop für Expertinnen und Experten am 9.12.2010

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Ein Jazzclub im Ruhrgebiet, Freitagabend 22:30. Die Opener-Formation hat vor einer halben Stunde ihr Programm beendet und nun stehen vier Musiker auf der Bühne, die sich erst an diesem Abend kennengelernt haben und nun zum ersten Mal miteinander musizieren. Und es funktioniert, hört sich an als würden die Vier seit längerem zusammen spielen und hätten viele Stunden in ihrem Proberaum verbracht. Der ungeübte Zuhörer kann sich dies nicht erklären und fragt sich, wie kann das gehen. Jazzmusiker haben gelernt, mit minimalen Absprachen gemeinsam zu Musizieren. Sie erkennen schnell klassische, ihnen bekannte Muster, geben sich Raum für Improvisation um letztendlich immer wieder zu den bewährten Mustern zurückzukehren.(Bernd Zimmermann über den MICC-Workshop 9.12.2010, ruhrjazz.net2011) http://ruhrjazz.net/news/2011/micc.html.

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Ziele

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Wie können wir Organisationen, die wie Musiker ständig dynamisch nach vorne spielen und immer mehr unter Veränderungsdruck stehen, besser verstehen und gestalten? Welche Lösungsstrategien sind die Basis für Innovation? Was bedeutet konstruktive Improvisation jenseits von Krisenmanagement und welche Rolle spielen Muster in der interdisziplinären Arbeit?

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Diesen Fragen geht das Forschungsteam MICC (music – innovation – corporate – culture) der Universität Duisburg-Essen unter der Leitung von Prof. Wolfgang Stark gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Praxis-Organisationen und dem Musiker Christopher Dell nach. Ziel ist es mit anderen Sinnen Organisationen neu und tiefergehend zu verstehen, um Innovationen zu befördern. Dabei dienen Muster (engl.: patterns) als Bindeglied zwischen organisationaler und musikalischer Perspektive. Sie haben sich im Gebrauch der jeweiligen Systeme als viabel (gangbar) gezeigt und im Erfahrungswissen der Akteure verankert.

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Patterns als Tool

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Die Verwendung von Mustern und einer Mustersprache (engl.: pattern language) hat sich besonders für anwendungsorientierte Wissenschafts-Disziplinen als guter Weg zur ganzheitlichen Betrachtung komplexer Gebilde erwiesen. Denn bei der Arbeit mit Patterns werden die zugehörigen Einzelheiten systematisch miteinander verschaltet und als großes Ganzes gedacht. Vereinfacht gesprochen beschreiben Patterns grundlegende und kontextbezogene Lösungsprinzipien zu wiederkehrenden Herausforderungen. Einzelne Elemente können zu allen Themenbereichen und auf allen Maßstabsebenen eines Systems gefunden und untereinander zu einer Art Bibliothek oder sogar einer Art System-Sprache verbunden werden.

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Diese Vorgehensweise erschließt in besonderer Weise das in Organisationen vorhandene Erfahrungswissen.  Da die individuelle Fachkompetenz der Akteure permanent in einem Wirkungszusammenhang mit ihrer (System)Umwelt steht, macht es Sinn, neue Quellen von kollektivem Wissen und Erfahrungen zu erschließen. Die Arbeit mit Patterns entfaltet dabei vielfältige Wirkungen: Sie führt Theorie- und Erfahrungswissen auf dem Hintergrund geteilter Werte zusammen und ist gemeinsames Reflexionstool für unterschiedliche Beteiligte einer Aufgabenstellung. Außerdem erlaubt sie eine schnelle qualitative Kommunikation über einen Pool von erprobten Vorgehensweisen. Genau das ist in der Musikimprovisation ja immer wieder faszinierend zu beobachten.

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Workshop mit Pattern-Expertise

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Der MICC-Workshop am 9.12.2010 hat erstmalig in Deutschland Disziplinen zusammengeführt, die sich anwendungsorientiert und in unterschiedlicher Weise und Form mit dem Thema Mustersprache beschäftigen. Ursprünglich vom Architekten und Mathematiker Christopher Alexander mit Analogien zur Systemtheorie entwickelt, wurden Patterns als Tool in vielen wissenschaftlichen Bereichen aufgegriffen. Einige von ihnen können auf eine sehr lange Erfahrung mit dieser Arbeitsweise zurückgreifen, allen voran Architektur, Softwarewissenschaft und künstlerische Disziplinen (Theater, Musik) oder auch die Naturwissenschaften. Erst in neuerer Zeit zählt die Organisationsentwicklung zur europäischen „Pattern-Gemeinschaft“. Allen gemeinsam ist, dass sie sich mit dynamischen Entwicklungen wie Komplexität, globalen Anforderungen, Adaptions- und Adhoc-Erfordernis der interdisziplinären Kooperation auseinandersetzen, kurz – dem konstruktiven Umgang mit dem Unerwarteten.

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Im Workshop ging es darum, zunächst die jeweils spezifische Entwicklung und Anwendung von Patterns untereinander kennenzulernen, voneinander zu lernen und auf der Suche nach dem übergeordneten Prinzip Systeme anders zu verstehen und Neues hervorzubringen. Im Vorfeld haben interessierte Expertinnen und Experten ihre Verbindung zur Arbeit mit Patterns in Thesenpapieren aufgezeigt. Zugrundeliegende Fragestellungen focussierten z. B. auf: Welche Ansätze gibt es zu Patterns als Instrument für Analyse, Reflexion, Beteiligung? Inwieweit schult die Arbeit mit Patterns systemisches Denken und Handeln als Vorstufe fundierter Improvisation? Was ist die innere Logik der Herangehensweisen der Disziplinen, die interdisziplinäre Pattern der Patterns?

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Die Ansätze der einzelnen Disziplinen (Architektur, Softwarewissenschaft, Naturwissenschaft, Kunst, Organisationsentwicklung) stellen wir nun innerhalb dieser Dokumentation als pdf-Datei zum Download s.u. zur Verfügung. Die Mehrzahl der Thesenpapiere wurde beim Workshop persönlich durch spannende Beiträge verdeutlicht. Soweit uns dazu Präsentationen vorliegen, sind sie ebenfalls angefügt.

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Übergreifend zeigen sich in den Pattern-Beiträgen die Tendenzen zur Auflösung von linearen, hierarchischen zugunsten von flexiblen, gleichberechtigten Strukturen und die Zunahme von Interdisziplinarität. Die Arbeit mit Patterns als Methode fördert Partizipation, die Zeiten individueller Genialität öffnen sich in Richtung der Wertschätzung von Erfahrungswissen aus dem Gebrauch. Es gelingt dem zeitlichen Faktor Ausdruck zu geben, als Beschreibung der Art und Weise der Wahrnehmung der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt, das Prozesshafte zu betonen. Organisationen werden als non-linear-Systems verstanden.

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Perspektive

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Ein Bewerten, Ergänzen und in-Beziehung-setzen von Erkenntnissen ist als nächster Schritt gemeinsam mit den Beteiligten zu diskutieren. Dabei auch die Frage, wer bzw. welche Disziplinen fehlen noch, die hier gar nicht vertreten waren? Die Erfahrung im Workshop hat gezeigt: Das Interesse an Transfer und wechselseitiger Inspiration ist da – es lohnt sich die Pattern-Kooperation zu vertiefen. Perspektivisch ist dafür jeder Disziplin eine ausführliche Betrachtung zu widmen. Darauf haben die Beiträge neugierig gemacht und wiederum Fragen aufgeworfen: Welche Disziplinen-übergreifende Mustersprache gibt es? Wie ist sie strukturiert, wie wird sie verbreitet und genutzt? Was sind die Synergieeffekte der Mustersprachen als Format und Tool interdisziplinärer Arbeit? Wie genau entsteht die Fähigkeit im besten Sinne auf Mustern zu improvisieren?

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Gisela Humpert (MICC-Team)

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Download des Programms 9.12.2010

Programm_pattern-Experten-Workshop9Dez2010

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Download der Einführung und Thesenpapiere

einführung-doku-pattern-workshop2010

dell-musik-patterns2010

denisow-trobisch-theater-patterns2010

eckstein-IT-patterns2010

humpert-stark-oe-patterns2010

neis-architektur-patterns2010

porschen-soz-wiss.-patterns2010

ruping-theater-patterns2010

spehr-sound-patterns2010

vGuretzky-oe-patterns2010

weigand-design patterns2010

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Präsentationen der Referenten:

klang-spehr-micc9.12.2010

präs-neis-MICC2010

software-eckstein-micc9.12.2010

patterns in organisationen-ws2-8.12.2010-gh2 [Kompatibilitätsmodus]